DAS VICTORIA HOTEL: PROMI-HERBERGE DER KAISERZEIT
Das Gebäude in dem sich die Praxis am Kureck befindet, steht auf einem Grundstück, das in der Geschichte Wiesbadens eine bedeutsame Rolle spielt:
Tummelplatz der „Haute Volee“
Wo heute das Gebäude der Commerzbank steht, in dem die Praxis am Kureck 2014 eröffnet wurde, befand sich einst eines der ersten modernen Kurhotels Wiesbadens mit Badebetrieb: das 1842 eröffnete Hotel „Düringer“.
Im „Düringer“ stiegen die Reichen, Schönen und Mächtigen der Kaiserzeit ab, um in Wiesbadens heißen Quellen zu kuren – oder auch um sich in Gesellschaft der Reichen, Schönen und Mächtigen sehen zu lassen. Denn Wiesbaden war ein „must“ des 19. Jahrhunderts. Wer nicht dabei war, wenn der Kaiser in Wiesbaden Urlaub machte und die Maifestspiele besuchte, gehörte einfach nicht zum „Relevant Set“.
Promenaden – sogar für Frauen!
Das Hotel am Anfang von Wilhelmstraße und Rheinstraße war der Ausgangspunkt für prestigeträchtige Nachmittags-Promenaden auf den beiden neu angelegten, großen Boulevards Wiesbadens. Nachdem der Taunusbahnhof 1840 fertig wurde (an der Stelle des heutigen Rhein-Main Congress Centers), hatten sich hier neue große Hotels angesiedelt. Man reiste neuerdings mit der Bahn, die mit Tempo 40 von Frankfurt aus „angerast“ kam. (Den Passagieren wurde abgeraten, aus dem Fenster zu schauen, weil die übergroße Geschwindigkeit zu „Schwindel und Wahnsinn“ führen konnte.)
Die Kur-Promenaden auf der Rheinstraße waren vor allem für die Frauen eine Gelegenheit, Ausnahme-Freiheiten auszuleben: Auf den breiten, platanenbestandenen Kurpromenaden mit Ruhebänken durften sie langsamer gehen und sogar stehen bleiben und Bekannte ansprechen, ohne gleich als „Leichte Mädchen“ angesehen zu werden. Ganz wagemutige durften sich sogar von Herren begleiten lassen, selbst wenn diese nicht ihre Ehegatten waren!
Als Dostojewski am grünen Tisch baden ging
Neben vielen Fürsten, Politikern und Literaten war einer der spektakulärsten Gäste dieses Hotels der russische Dichter Fjodor Dostojewski. Als leidenschaftlicher Spieler besuchte er 1865 des öfteren das Spielcasino im Kurhaus und verzockte dort nach eigener Darstellung 3000 Goldrubel – sein gesamtes Vermögen. Da ihm für die Hotelrechnung nichts mehr übrig blieb, verweigerte ihm der Hotelier den Platz im Speisesaal und komplimentierte ihn schließlich diskret hinaus. Man sprach nicht über den Fall, weil er zwar keineswegs ungewöhnlich, gleichwohl aber doch peinlich war.
Zurück in St. Petersburg brauchte Dostojewski dringend Geld und schrieb in nur 26 Tagen den Roman „Der Spieler“, in dem er die Folgen der Spielsucht eindrucksvoll thematisierte. Wiesbaden – alias „Roulettenburg“ – und seine illustren Gestalten kommen dabei weniger gut weg. Gleichwohl präsentiert das Spielcasino noch heute stolz den original Roulette-Kessel, dem Dostojewski damals zum Opfer fiel.
Das Hotel Düringer wechselte 1857 den Besitzer und wurde in „Victoria Hotel und Badehaus“ umbenannt. Im März 1945 wurde das Hotel Victoria und Badhaus bei einem Bombenangriff zerstört und nie wieder aufgebaut.
Unsere Bilder-Galerie unten zeigt die Pracht und Modernität des Victoria Hotels und Badehauses um 1895.
Hans-Werner Klein, Bilder: Hotelprospekt von 1850